Mit Leckerlis gegen das Leiden


Everswinkel - Arthritis, Arthrose und Rückenleiden - wenn Claudia Deckenbrock von den Erkrankungen ihrer Patienten redet, denkt man sofort an typische menschliche Leiden. Die Everswinklerin arbeitet zwar als Physiotherapeutin - aber für Pferde.

 

Portrait

Mit dem Leckerli-Trick können Pferdehalter die Beweglichkeit der Halsmuskulatur verbessern.Foto:
(Niesmann)

 

Als vor etwa 20 Jahren die Berufswahl anstand, hatte die Pferdenärrin eigentlich den Wunsch, Tiermedizin zu studieren. Doch nach dem Abitur im Jahre 1990 folgte zunächst eine Ausbildung als Bankkauffrau. Den Gedanken, Tieren zu helfen, habe sie jedoch nie aus den Augen verloren.Von 2005 bis 2007 absolvierte sie eine Ausbildung zur Tierheilpraktikerin. Aufgrund ihrer engen Verbundenheit zu Pferden folgte ein Jahr später die Ausbildung zur Pferdephysiotherapeutin am Deutschen Institut für Pferde-Osteophatie (DIPO) in Dülmen.

Mit ihrer mobilen Praxis besucht Deckenbrock ihre Patienten in der für sie gewohnten Umgebung und führt dort die Gespräche und Behandlungen durch. "Die Tiere haben keinen Transportstress und der Besitzer keine Fahrtzeiten", beschreibt sie ihr Konzept. Tierhalter kontaktieren sie unter anderem, wenn das Tier bestimmte Bewegungen meidet oder beim Putzen, Satteln oder Reiten empfindlich reagiert. Auch wenn der Tierarzt mit Medikamenten nicht mehr weiterhelfen kann, ist ihre Behandlung gefragt. Dabei legt sie sehr großen Wert auf eine enge Zusammenarbeit mit Veterinärmedizinern, Hufschmieden, Bereitern und Tierhaltern sowie weiteren Spezialisten. Sie sieht sich nicht als Konkurrenz, sondern als sinnvolle Ergänzung.

Am Anfang jeder erfolgreichen Behandlung steht auch für eine Pferdephysiotherapeutin die Diagnostik, die mit einem Gespräch über Vorerkrankungen und Probleme des Pferdes aus Tierhaltersicht beginnt. "Danach begutachte ich das Tier im Stand, unter anderem hinsichtlich der Huf- und Gliedmaßstellung oder Asymmetrien im Körperbau." Auch die Bemuskelung sei oftmals der Auslöser dafür, dass das Pferd lahmt oder sich anders verhält.

Vom Kopf bis zum Schweif wird anschließend das komplette Pferd abgetastet, auf der Suche nach Verhärtungen, Knötchen oder warmen Stellen, die auf Entzündungen hindeuten können. Wichtig ist auch ein Blick in das Maul, denn aufgrund falscher Abnutzung der Zähne können sich für das Pferd schmerzhafte Haken bilden.

Danach folgt die Gangbildanalyse im Schritt und Trab, bis es dann zur eigentlichen Untersuchung kommt. Dabei werden die Gelenke auf die Bewegungsqualität geprüft. "In der Regel ist nichts ausgerenkt, dann wären die Schmerzen für das Pferd unerträglich. Viel öfter sind die Muskeln verhärtet, verletzt oder verkürzt", weiß die Fachfrau. Diese lassen dann eine normale Gelenkbeweglichkeit nicht mehr zu. Anhand verschiedener Mobilisierungstechniken und Massagen löst und entspannt Deckenbrock den Muskel, macht ihn wieder beweglich."Ein häufiger Grund für die Erkrankungen ist ein unpassender Sattel", hat sie festgestellt Deswegen sei auch eine Überprüfung der Ausrüstung unerlässlich. "So dauert eine komplette Behandlung mindestens eineinhalb Stunden."

Hat sie ihre Diagnose gestellt, zeigt sie den Pferdehaltern Übungen, welche sie über einen längeren Zeitraum mit dem Pferd durchführen sollen. Besonders beliebt ist der "Leckerli-Trick", der die Halswirbelsäule trainiert und die Beweglichkeit eines steifen Halses fördert - ein Leiden dass vielen bekannt sein dürfte. Hierbei werden die Tiere mit einem Leckerli, Gras oder Karotten gelockt. Dabei steht der Ausübende an verschiedenen Positionen, damit das Pferd den Hals danach strecken muss. "Für ihr Leckerli können die Pferde sich ruhig anstrengen."

In schweren Krankheitsfällen wird die Übungsanleitung noch durch einen Trainingsplan ergänzt. Er hilft, das Tier wieder richtig aufzubauen; vergleichbar mit einer Reha beim Menschen. Oft ist zudem eine Nachbehandlung nötig, bei der die Pferdeexpertin gerne die Matrix-Rhythmus-Therapie einsetzt. "Ansonsten", betont Deckenbrock "sind die Hände mein wichtigstes Werkzeug". Die Matrix-Rhythmus-Therapie ist eine besondere Form der physikalischen Therapie, die in erster Linie zur Behandlung von Schmerzen und Einschränkungen im Bewegungsapparat eingesetzt wird und für die Pferde sehr entspannend ist. Mit einer Art Massagestab werden bis ins tiefste Muskelgewebe Schwingungen erzeugt. Eine tiefenwirksame Massage, die die Durchblutung anregt.

"In der Humanmedizin hat die Physiotherapie einen großen Stellenwert. Da der gesamte Bewegungsapparat des Pferdes unglaublichen Belastungen ausgesetzt ist, sollten sie, genau wie Menschen, physiotherapeutisch betreut werden", so die passionierte Reiterin, die schon mit acht Jahren im Sattel saß und die diese Leidenschaft seitdem nicht mehr losgelassen hat.

"Das Schöne ist, dass man sofort die Reaktion des Pferdes und später auch die der Besitzer aufnehmen kann", beschreibt sie ihren körperlich anstrengenden Beruf. Nach maximal drei Komplett-Behandlungen sitze sie abends oft geschafft auf der Couch. Dennoch liebe sie ihre Arbeit, sagt sie: "Der Job erfüllt mich und macht sehr viel Spaß."

Übrigens ist die Pferdespezialistin am 15. August bei der Aktion "Pferdestärken 2010" auf dem Hof Steinmeier-Beese in der Bauerschaft Evener in Alverskirchen auch mit einem Info-Stand und eigenen Live-Demonstrationen vertreten. Weitere Informationen gibt es auf ihrer Homepage

Quelle:

http://www.westfaelische-nachrichten.de/lokales/kreis_warendorf/everswinkel/1368219_Mit_Leckerlis_gegen_das_Leiden.html

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